Die Aiplspitz.

Genusskletterei am Nordgrat

Die Besteigung der Aiplspitz


14. Mai 2015 • Autor: red.


Übersicht

Dieser Bericht behandelt die Besteigung der Aiplspitz in den Bayerischen Voralpen. Unsere Wanderung beginnt am Bahnsteig von Geitau. Von dort führt uns ein einsamer Weg zunächst hinauf zur nebelverhangenen Geitauer Alm. Nach einer kleinen Pause geht es anschließend über den Nordgrat weiter zum Gipfel der Aiplspitz. Von dort steigen wir schließlich über die Krottenthaler Alm hinab nach Osterhofen.

Schwierigkeit: T3, UIAA IGPS-Route: DownloadWanderkarte: Kompass 8

Der Wettervorhersage zum Trotz

Düster hängen die Wolken über dem Mangfallgebirge, als ich mit dem Zug in der kleinen Ortschaft Geitau (780m) einrolle. Laut Wettervorhersage sollte es hier bereits seit den Morgenstunden kräftig regnen, doch als ich mich aus dem Wagon schwinge, merke ich nicht viel davon. Zum Glück! Immerhin möchte ich heute der Aiplspitz (1759m) einen kleinen Besuch abstatten. Auch wenn sich mir der markante Felskoloss momentan noch wolkenverhangen zeigt, schaue ich der Tour halbwegs optimistisch entgegen. »Vielleicht klart es ja noch auf!« Und so zupfe ich ein letztes Mal meinen Rucksack zurecht und mache mich auf den Weg.

Erste Schritte in Geitau

Ein kühler Wind bläst von den Bergen herab, als ich mich vom verwaisten Bahnsteig gen Osten wende und der Straße bis zu einer kleinen Kneipp-Anlage folge. Dort warten bereits die ersten Wegweiser und eine große Infotafel auf mich. Kurz halte ich inne und studiere meine heutige Route, dann geht es aber auch schon weiter. Vorbei an einer frühlingshaften Wiesenlandschaft schlendere ich langsam gen Süden. Dabei lasse ich nicht nur die rauschende Leitzach, sondern auch die vielbefahrene B307 schnell hinter mir. Kurz darauf biege ich auch schon im beschaulichen Geitau ein. Abgesehen von einigen Kühen, die sich auf einer Weide den Pansen vollschlagen, ist die kleine Ortschaft heute wie ausgestorben. Lediglich beim Wirtshaus scheint wegen des heutigen Vatertags reger Betrieb zu herrschen.

Die Ortschaft Geitau im Leitzachtal.

Noch ist der Himmel über Geitau wolkenverhangen.

Atemlos durch den Wald

Beim Wanderparkplatz am Ortsausgang kann es dann endlich richtig losgehen. Unter dem tristen, grauen Himmel breitet sich eine geradezu farbenfrohe Wiesenlandschaft vor mir aus. Ein paar einsame Bäume wippen im Wind, und der Duft von frisch geschnittenem Holz liegt in der Luft. »Herrlich!« Nachdem ich einen kleinen Wasserlauf überquert habe, folge ich der breiten Schotterpiste langsam in den Wald hinein. Hier geht es nun auf einmal unglaublich zäh über steile Serpentinen nach oben. Die Luft ist schwül, und schon nach wenigen Minuten fließt mir der Schweiß von der Stirn. Immer wieder muss ich kurz stehen bleiben, um nach Luft zu ringen. Zu allem Überfluss fängt es jetzt auch noch zu regnen an. Zwar bleibe ich unter dem dicken Blätterdach relativ trocken, doch das Plätschern der Regentropfen ist nicht zu überhören. Meine gute Stimmung schwindet.

Lichtblick auf der Geitauer Alm

Nach etwa einer Stunde lichtet sich der dichte Wald endlich wieder und ich erreiche unverhofft eine schöne Weide, über die sich ein kleiner Wasserlauf ergießt. Direkt darüber kann ich auch schon meine erste Zwischenstation erkennen: die Geitauer Alm (1331m). Erschöpft schleppe ich mich die letzten Meter zu den beiden urigen Hütten hinauf, die momentan aber leider noch geschlossen haben. »Schade!« Dennoch wird es langsam Zeit für eine kleine Brotzeit, und so suche ich mir im Schatten der Almkäserei ein nettes Plätzchen.

Nebelschwaden über der Geitauer Alm.

Nebelschwaden ziehen über die Geitauer Alm.

Über Stock und Stein

Beseelt von neuer Kraft setze ich meinen Aufstieg schließlich fort. Direkt neben einem kleinen Steinwall führt ein Wiesenpfad gleich wieder steil nach oben. »Alpine Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit« sind ab jetzt Pflicht – so heißt es auf einem Schild am Wegesrand. Und in der Tat wird der Weg hier zusehends wilder und rauer. Über enge Serpentinen steige ich den steinigen Hang langsam hinauf, doch im Großen und Ganzen komme ich hier problemlos voran. Nur ein kleines Schneefeld bremst meinen Aufstieg für einen Moment. Als ich kurz darauf den Sattel zwischen Aiplspitz (1759m) und Heißenplatte (1593m) erreiche, bricht unverhofft der blaue Himmel aus dem Wolkenmeer hervor, und ich kann zum ersten Mal den Blick auf die Berge und Täler im Norden genießen.

Der knackige Schlussspurt

Der größte Blickfang bleibt jedoch der felsige Nordgrat der Aiplspitz (1759m), der sich jetzt vor mir aufbaut. Nun ist der einfache Teil der Wanderung endgültig vorbei! Nichtsdestoweniger mache ich mich ans Werk. Über einen gut markierten Steig geht es zwischen einigen Latschen steil nach oben. Dabei sind auch diverse Klettereinlagen (UIAA I) in teils ausgesetztem Gelände zu meistern. Seilsicherungen gibt es hier oben nicht, aber der Fels ist griffig und bietet überall guten Halt. So macht das Klettern Spaß! Nach ein paar kräftigen Zügen ist es dann auch schon geschafft, und das Gipfelkreuz taucht vor mir auf.

Das Gipfelkreuz der Aiplspitz.

Zum Greifen nah: das Gipfelkreuz der Aiplspitz!

Unerwartete Fernsicht

Aiplspitz
LandDeutschland
GebirgeBayerische Voralpen
KammMangfallgebirge
Höhe1759 m
Koordinaten47°40′24″N, 11°55′25″E

Nach gerade einmal zweieinhalb Stunden stehe ich auf dem einsamen Gipfel der Aiplspitz (1759m). Erschöpft lasse ich mich unter dem hölzernen Kreuz nieder, krame meine Schnitzelsemmel aus dem Rucksack hervor und genieße die unerwartet gute Aussicht. Obwohl der Himmel immer noch wolkenverhangen und trüb ist, kann ich meine Blicke weit in alle Richtungen schweifen lassen.

Im Norden erblicke ich nicht nur den bewaldeten Gipfel der Heißenplatte (1593m), sondern auch die kleinen Ortschaften im Leitzachtal. Unter anderem kann ich meinen Ausgangsort, Geitau, von hier aus erkennen. Aber auch die Straßenzüge von Fischbachau und Osterhofen sind vom Gipfel problemlos auszumachen. Der Blick gen Osten wird vom mächtigen Dreigestirn des Dürrmiesing (1863m), des Hochmiesing (1883m) und der Rotwand (1884m) dominiert. Im Gegensatz dazu wirkt der Taubenstein (1692m) im Süden geradezu mickrig. Und im Westen, da erkenne ich nicht nur die markante Benzingspitze (1735m) und den Jägerkamp (1746m), sondern auch den Spitzingsee im Tal. »Ja, das Panorama kann sich sehen lassen!«

Das Leitzachtal und die Heißenplatte.

Im Norden bietet sich ein toller Blick auf das Leitzachtal und die Heißenplatte.

Die Rotwandgruppe.

Im Osten lässt sich die Rotwandgruppe erkennen.

Die Benzingspitze und der Spitzingsee.

Im Westen sehe ich nicht nur die Benzingspitze, sondern auch den Spitzingsee.

Die Qual der Routenwahl

Unter den wachsamen Augen einiger Alpendohlen verewige mich noch schnell im Gipfelbuch und bereite mich anschließend langsam wieder auf den Abstieg vor. Da ich nicht unbedingt über den Nordgrat wieder absteigen will, mache ich mich auf die Suche nach einer Alternative. Glücklicherweise habe ich auf dem Gipfel der Aiplspitz (1759m) die Qual der Wahl. Entweder ich wende mich nach Südwesten und steige über die Benzingspitze (1735m) und den Jägerkamp (1746m) hinab nach Aurach, oder ich folge dem Weg nach Osten und kehre über die Krottenthaler Alm (1450m) zurück ins Tal.

Der lange Weg zurück

Spontan entscheide ich mich für die zweite Option. Doch schon bald frage ich mich, ob das die richtige Wahl war. Denn bereits nach einigen Metern muss ich immer wieder dicke Latschenzweige beiseite drücken, um voranzukommen. Zum Glück kann ich das Dickicht aber nach wenigen Minuten schließlich hinter mir lassen. Über eine steile Grasflanke geht es anschließend wieder flott hinab, bis ich nach etwa einer halben Stunde vor der Krottenthaler Alm (1450m) stehe. Leider hat aber auch diese Berghütte momentan noch geschlossen. »So wird das heute nichts mit einer Einkehr!«

Bildergalerie: Aiplspitz

Unbeirrt lasse ich die Alm rechts liegen und wende mich stattdessen der Forststraße zu, die sich nun in zahllosen Serpentinen talwärts schlängelt. Zwar komme ich auf der steilen Schotterpiste schnell voran, doch der Weg zieht sich trotzdem wie Gummi. Da ist die Freude umso größer, als nach über einer Stunde endlich die Ausläufer von Osterhofen (791m) vor mir auftauchen. Mit letzter Kraft schleppe ich mich zum Bahnsteig der kleinen Ortschaft – gerade noch rechtzeitig, damit ich meinen Zug erwische. Aus dem Wagon werfe ich einen letzten Blick zurück, doch mittlerweile ist die Aiplspitz (1759m) schon wieder im Nebel verschwunden...

StationenDistanzDifferenzZeit
Geitau
→ Geitauer Alm +4,0 km556 m ↑5 m ↓+1h 15m
→ Aiplspitz ✝ +1,1 km428 m ↑0 m ↓+1h 00m
→ Krottenthaler Alm +1,4 km0 m ↑309 m ↓+0h 30m
→ Osterhofen +7,7 km0 m ↑659 m ↓+1h 15m
Gesamt 14,2 km984 m ↑973 m ↓4h 00m