Der Gipfel des Croagh Patrick.

Der heilige Berg der Iren

Die Besteigung des Croagh Patrick


05. Juni 2018 • Autor: red.


Übersicht

Dieser Bericht beschreibt die Besteigung des Croagh Patrick im Westen Irlands. Vom großen Wanderparkplatz in Murrisk steigen wir über den gut besuchten Pilgrim Trail hinauf auf den heiligen Berg der Iren, auf dem vor mehr als 1500 Jahren der irische Nationalheilige St. Patrick eine kleine Kapelle errichtete. Noch heute pilgern pro Jahr über eine Million Besucher auf den markanten Bergkegel, der die Clew Bay im County Mayo überblickt. Nach einer wohlverdienten Gipfelpause geht es über die Aufstiegsroute wieder zurück nach Murrisk.

Schwierigkeit: T3GPS-Route: Download

Heidnische Feste und christliche Legenden

Seit Menschengedenken übt der markante Bergkegel, der die Clew Bay im Westen Irlands überblickt, eine besondere Faszination auf die Menschen aus. Man vermutet, dass bereits im dritten Jahrtausend vor Christus die lokale Bevölkerung die damals dicht bewaldeten Hänge erklomm, um heidnische Feste wie die Mittsommerwende oder das Erntefest Lughnasadh zu zelebrieren. Seinen heutigen Namen – Croagh Patrick (764m) – erhielt der dritthöchste Berg des County Mayo schließlich im Jahr 441, als St. Patrick 40 Tage und 40 Nächte auf dem geräumigen Gipfel fastete. Wenn man der Legende glauben darf, befreite der irische Nationalheilige während dieser Zeit nicht nur die grüne Insel von der Schlangenplage, sondern errichtete auch noch eine kleine Kapelle auf dem geräumigen Plateau, die später als Teampall Phádraig bekannt werden sollte.

Spektakel mit Licht- und Schattenseiten

Obwohl die alte Kapelle schon lange nicht mehr steht, pilgern auch heute noch Gläubige auf den heiligen Berg der Iren, der von der lokalen Bevölkerung auch The Reek genannt wird. Schätzungen gehen von einer Million Besuchern pro Jahr aus. Alleine am Reek Sunday – dem letzten Sonntag im Juli – pilgern bis zu 40.000 Menschen, teils barfuß, die steinigen Flanken hinauf, um der Messe an der modernen Gipfelkapelle zu lauschen. Doch während der Trubel zweifelsohne eine Menge Geld in die Kassen von Murrisk spült, hat das Spektakel auch seine Schattenseiten. Die Bergwacht beklagte sich in den vergangenen Jahren immer wieder über die vielen schlecht ausgerüsteten Wanderer und die zunehmende Erosion der Wege durch die großen Besuchermassen. Wie wir schon bald feststellen werden, sind diese Kritikpunkte nicht ganz ungerechtfertigt.

Bildergalerie: Croagh Patrick

Letzte Vorbereitungen in Murrisk

Der Himmel über der Clew Bay ist in ein tristes Grau gehüllt, als wir Murrisk (16m) am Fuße des Croagh Patrick (764m) erreichen. Obwohl das Wetter heute Nachmittag alles andere als einladend aussieht, ist der große Wanderparkplatz am Ortsausgang wieder einmal gut gefüllt. Rund um das Besucherzentrum tummelt sich ein bunter Haufen an Pilgern. Vom sportlichen Bergläufer bis hin zur Nonne in voller Montur ist wirklich alles vertreten. Während mein Begleiter sich an den Cafés und Shops vorbeischlängelt, um unser Parkticket zu bezahlen, packe ich meinen Rucksack hastig mit dem Nötigsten. Eine Tafel Schokolade, eine Flasche Wasser, und eine Regenjacke – mehr werde ich heute nicht brauchen.

Murrisk an der Clew Bay.

Unsere Wanderung beginnt in der kleinen Ortschaft Murrisk an der Clew Bay.

Auf den Spuren des heiligen Patrick

Nachdem schließlich auch mein Begleiter abmarschbereit ist, machen wir uns auf den Weg. Als wir den kleinen Stand am Ende des Parkplatzes passieren, wo man für ein paar Euro hölzerne Wanderstöcke ausleihen kann, schmunzeln wir noch: »Als würde man hier ’nen Stock brauchen!« Dass wir eine knappe Stunde später unserer eigenen Hybris zum Opfer fallen werden, ahnen wir noch nicht – doch dazu später mehr. Zunächst einmal geht es eher gemütlich dahin!

Zielstrebig biegen wir auf den breiten Croagh Patrick Pilgrim Trail ein und passieren schon bald eine Statue des heiligen Patrick. Hinter der weißen Heiligenfigur ist nahezu die gesamte Aufstiegsroute bestens zu erkennen. Ab jetzt geht es über Erde, Geröll, Fels und Sand steil hinauf. Obwohl dieser Abschnitt noch relativ zahm ist, kommen uns hier bereits die ersten Pilger mit schlotternden Knien entgegen.

Statue von St. Patrick am Croagh Patrick.

Eine Statue des irischen Nationalheiligen überwacht den Zugang zum Berg.

Ein erster Blick ins Hinterland

Nach einer knappen Stunde erreichen wir endlich den Kamm, der uns zum ersten Mal einen Blick ins Hinterland erlaubt. Die Hälfte des Aufstiegs haben wir mittlerweile geschafft! Um wieder etwas Luft zu schnappen, suchen wir uns hier oben gleich ein ruhiges Plätzchen für eine Pause. Während ein paar Blackface-Schafe die grünen Hänge entlang des Weges abgrasen und uns dabei skeptisch beäugen, holen wir unseren Proviant aus dem Rucksack. Für ein paar Minuten bleiben wir am Sattel sitzen, genießen den Ausblick über die Clew Bay, wo einst die Piratenkönigin Grace O’Malley ihr Unwesen trieb, und studieren die steinernen Schriftzüge, die andere Pilger auf den umliegenden Berghängen hinterlassen haben. Dann machen wir uns wieder auf den Weg.

Ein Mayo Blackface Schaf am Croagh Patrick.

Ein Mayo Blackface grast genüsslich über der Clew Bay vor sich hin.

Der steinige Schlussanstieg

Während es zunächst noch ohne große Niveauunterschiede gemütlich am Kamm entlang geht, hat es der Schlussanstieg noch einmal in sich – denn plötzlich wird der anfangs gut zu gehende Weg von einem riesigen Feld aus Schutt verschluckt. Zu allem Überfluss zieht der Hang, über den sich das lose Geröll ergießt, nun auch noch äußerst steil nach oben. Auf allen Vieren kriechend kommen uns hier nun die Pilger von oben entgegen. Während zwei junge Frauen relativ unbeholfen an uns vorbeischlittern, fangen wir an zu bereuen, über die Wanderstock-Ausleihe am Parkplatz gespottet zu haben. Uns graust bereits jetzt davor, diesen Steilhang später wieder absteigen zu müssen. Doch zunächst müssen wir überhaupt erst einmal hinauf kommen! Vorsichtig folgen wir einer schmalen, sandigen Schneise, die sich durch das Geröllfeld nach oben zieht. Auch hier ist Konzentration angesagt – aber letztlich ist alles besser als das lose Geröll um uns herum!

Ein Mayo Blackface Schaf am Croagh Patrick.

Der steinige Schlussanstieg hat es noch einmal so richtig in sich.

Dem Himmel ganz nah

Croagh Patrick
AliasCruach Phádraig / The Reek
LandIrland
GebirgeCroagh Patrick Ridge
Höhe764 m
Koordinaten53°45′39″N, 09°39′35″W

Als schließlich das weiße Gemäuer der neuen Gipfelkapelle über uns auftaucht, haben wir das Schlimmste hinter uns. Erschöpft schleppen wir uns die letzten Meter hinauf und werfen die Rucksäcke ins flache Gras. Da wir heute relativ spät dran sind, ist hier oben nicht mehr allzu viel los. Neben einer Handvoll anderer Wanderer hat sich nur eine Schafmutter mit ihrem Lamm hier herauf verirrt. Neugierig hopsen die beiden über den Gipfel und versuchen mit ihren Kulleraugen etwas Futter zu erbetteln.

Schafe am Croagh Patrick.

Zwei Schafe schlendern lässig über den überraschend leeren Gipfel.

Zufrieden schlendern wir über das leere Plateau und lassen unsere Blicke in alle Richtungen schweifen. Von hier oben können wir unsere gesamte Aufstiegsroute nachvollziehen – vom Wanderparkplatz unten in Murrisk bis hin zu den steinigen letzten Metern. Besonders der Blick über die Clew Bay, in der das ruhige Wasser des Atlantiks unzählige kleine Inseln umspült, lädt zum Verweilen ein. Auf der anderen Seite bestimmt die grüne Wildnis des County Mayo mit dem schön gelegenen Lough na Corra die Szenerie. Im Schatten einiger Steinmänner lassen wir uns nieder und genießen das herrliche Panorama.

Blick vom Croagh Patrick auf Murrisk und die Clew Bay.

Vom Gipfel haben wir einen herrlichen Blick über Murrisk und die Clew Bay.

Rasanter Abstieg im Geröll

Am liebsten würden wir gar nicht mehr aufstehen wollen, doch leider haben wir heute Abend noch eine lange Autofahrt vor uns. Und so packen wir nach einer halbstündigen Gipfelpause wieder unsere Siebensachen und treten den Rückweg an. Zu unserer Überraschung ist dieser deutlich angenehmer zu gehen, als befürchtet. Der steile Geröllhang, der uns im Aufstieg noch Sorgenfalten auf die Stirn zauberte, stellt uns vor keinerlei Probleme – selbst ohne Stock. Während es beim Heraufgehen noch hieß, das Geröll so gut wie möglich zu vermeiden, nutzen wir es beim Abstieg so oft wie möglich als Gehhilfe. Ein paar beherzte Schritte, das Körpergewicht stets auf der Ferse lastend, dann ist es bald auch schon geschafft.

Blick vom Croagh Patrick auf den Lough na Corra.

Beim Abstieg haben wir den Lough na Corra noch einmal bestens im Blick.

Der Abschied

Nach etwas mehr als einer Stunde passieren wir wieder die Statue des heiligen Patrick oberhalb des Besucherzentrums. Erschöpft stapfen wir über den Parkplatz, der sich mittlerweile spürbar geleert hat, wieder zu unserem Auto. Nachdem wir die Rucksäcke in den Kofferraum gehievt haben, werfen wir noch einen letzten Blick zurück auf den imposanten Bergkegel, der mittlerweile langsam im Nebel zu versinken droht. Dann düsen wir schweigend von dannen.

Statue des St. Patrick bei Murrisk.

Am großen Wanderparkplatz bei Murrisk endet unsere Pilgerfahrt.

StationenDistanzDifferenzZeit
Murrisk
→ Croagh Patrick ✝ +3,6 km750 m ↑2 m ↓+2h 10m
→ Murrisk +3,6 km2 m ↑750 m ↓+1h 20m
Gesamt 7,2 km752 m ↑752 m ↓3h 30m