Wir haben mehrere Berichte zum Tunnel Mountain (1692m) in den Canadian Rockies:

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Das Panorama vom Sulphur Mountain.

Rückkehr zum Sulphur Mountain

Der First Peak


06. Juli 2019 • Autor: red.


Übersicht

Dieser Bericht beschreibt die Besteigung des First Peak der Sulphur Mountain Range in den kanadischen Rockies. Meine Wanderung beginnt an der Talstation der Banff Gondola und führt mich zunächst über den breiten Sulphur Mountain Trail zur gut besuchten Bergstation. Im Anschluss folge ich dem Gratrücken bis zum First Peak, wo mich ein imposantes Panorama erwartet. Nach einer langen Brotzeitpause geht es über dieselbe Route wieder zurück ins Tal.

Schwierigkeit: T3, UIAA IGPS-Route: Download

Ein alter Bekannter

»Turn around!« ruft uns der Parkplatzeinweiser entgegen und rudert dabei wild mit den Armen. Obwohl es gerade einmal 09:30 Uhr ist, platzt der große Parkplatz zwischen den Banff Upper Hot Springs (1585m) und der Banff Gondola Talstation (1583m) bereits aus allen Nähten. Widerwillig wenden wir, um auf der Zufahrtsstraße nach einer anderweitigen Parkmöglichkeit zu suchen. Ein paar hundert Meter unterhalb des Parkplatzes werden wir glücklicherweise fündig.

Während wir am Straßenrand noch die Stiefel schnüren, wandert unser Blick bereits über die dicht bewaldete Ostflanke der Sulphur Mountain Range. Die langgezogene Bergkette im Süden von Banff verdankt ihren Namen zwei schwefelhaltigen Thermalquellen. Für meinen Begleiter ist das hier alles Neuland, für mich ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Vor einigen Jahren, im November 2013, war ich schon einmal hier und kämpfte mich bei winterlichen Verhältnissen hinauf zum Sanson Peak (2291m), dem nördlichen Abschluss des Massivs. Heute nun wollen wir den Rest des Kammes erkunden.

Getrennte Wege

Nach einem tristen Teerstraßen-Hatscher stehen wir ein paar Minuten später wieder oben am großen Parkplatz. Neugierig studieren wir das Informationsschild am Waldrand, welches die letzten Infos zur heutigen Route bereithält. Drei Stunden sollte man für den Aufstieg zur Bergstation (2281m) einplanen, heißt es dort. Doch von meinem letzten Besuch weiß ich, dass dieser Wert viel zu hoch angesetzt ist. »Das geht auch in 90 Minuten«, sage ich meinem Begleiter. Doch der bleibt skeptisch und will lieber mit der Seilbahn nach oben fahren. Ich hingegen lasse mir das Wandern nicht nehmen und mache mich stattdessen zu Fuß auf den Weg. Oben, an der Bergstation wollen wir uns wieder treffen und von dort aus den weiteren Kamm in Angriff nehmen.

Die Banff Gondola.

Bis zu 650 Besucher pro Stunde befördert die Banff Gondola nach oben.

Während mein Begleiter gemütlich mit der Gondel nach oben saust, wende ich mich dem breiten Sulphur Mountain Trail zu. Kehre um Kehre folge ich dem Serpentinenweg nach oben und überhole dabei schon bald eine Wandergruppe nach der anderen. Da die dichte Bewaldung nur selten einen Blick aufs Umland erlaubt, richte ich meinen Blick stattdessen lieber auf die Blumen am Wegesrand. Neben dem allgegenwärtigen Roten Indianerpinsel, entdecke ich auch Langspornige Akeleien, Amerikanische Alpen-Waldreben, Kleinblütige Anemonen und Weiße Silberwurz. Bei einem kleinen Wasserfall auf halber Strecke stoße ich zudem auch auf ein paar gelb blühende Fingersträucher.

Eine knappe Stunde bin ich bereits unterwegs, als hinter einer Kehre plötzlich der First Peak (2332m) zum ersten Mal hervorblitzt. Imposant hebt sich der verkarstete Gipfelaufbau, der manchmal auch North Peak genannt wird, in den weiß-grauen Juli-Himmel.

Der First Peak des Sulphur Mountain.

Kurz vor der Bergstation zeigt sich der First Peak zum ersten Mal.

An der Bergstation

Unter dem wachsamen Blick eines Raben schleppe ich mich die letzten zähen Kehren hinauf und erreiche nach insgesamt 90 Minuten die gut besuchte Bergstation. Ohne lange zu zögern stürze ich mich ins Gedränge und suche meinen Begleiter. Da ich ihn weder im Restaurant noch im Souvenirladen sehe, stapfe ich erst einmal hinauf zur Dachterrasse und richte von dort meine Blicke auf den Sanson Peak (2291m). Ein kleines Observatorium, das einst als Wetterstation diente, ziert seit 1903 den höchsten Punkt des beliebten Aussichtsgipfels. Sorgfältig suche ich den hölzernen Skywalk nach meinem Begleiter ab, doch bei dem heutigen Besucherandrang ist das ein hoffnungsloses Unterfangen. Resigniert suche ich mir ein schattiges Plätzchen und schicke ihm eine SMS. Da klingelt plötzlich das Telefon. Wie sich herausstellt, ist mein Begleiter bereits zum First Peak (2332m) hinüber gegangen und wartet dort auf mich. »Der Weg über den Grat ist großartig! Nur der Schluss ist weglos.«

Die Wetterstation am Sanson Peak.

Seit 1903 ziert eine kleine Wetterstation den Sanson Peak.

Die Ruhe am Grat

Also stürze ich mich wieder ins Gedränge und wende mich dem First Peak (2332m) zu. Nachdem ich unweit der Bergstation den Einstieg gefunden habe, geht es über schwache Steigspuren flott durch den lichten Bergwald nach Süden. Schon bald gehört der Touristen-Trubel der Vergangenheit an und ich bin völlig alleine unterwegs. Lediglich eine Familie aus Deutschland kommt mir auf halber Strecke entgegen. Kurz frage ich sie nach dem weglosen Schlussanstieg, doch viel erzählen können sie mir dazu nicht. Sie sind gleich am Fuße des First Peak wieder umgekehrt. Der letzte Aufschwung war ihnen wohl nicht ganz geheuer.

Bildergalerie: Sulphur Mountain (First Peak)

Nach ein paar Minuten erreiche ich schließlich den Gipfelaufbau, der von Gelben Moosheiden und Weißen Silberwurz gesäumt wird. Die erste kleine Felsstufe stellt mich glücklicherweise vor keine nennenswerten Probleme. Locker kraxle ich über die verwitterten Kalkplatten zu einem kleinen Zwischenplateau hinauf, hinter dem die von Kluftkarren durchzogene Westwand des First Peak (2332m) steil ins dicht bewaldete Sundance River Valley hin abfällt.

Die Westwand des First Peak über dem Sundance River Valley.

Steil fällt die Westflanke ins wilde Sundance River Valley hin ab.

Luftige Kraxelei

Während ich versuche, mir einen Überblick über den weiteren Weg zu verschaffen, sehe ich plötzlich meinen Begleiter vom mittlerweile greifbar nahen Gipfel herunterwinken. »Ich bin nicht sicher, ob es da geradeaus weitergeht. Nimm lieber die Rinne links von dir«, ruft er mir von oben entgegen.

Gesagt. Getan. Über griffige Platten und Stufen steige ich die unverkennbare Rampe hinauf, quere kurz nach rechts, und erreiche über eine weitere Rinne (UIAA I) auch schon das weitläufige Gipfelplateau. Gemeinsam mit meinem Begleiter, der mich am oberen Ausstieg in Empfang nimmt, stapfe ich anschließend hinüber zum höchsten Punkt des First Peak (2332m).

Die Rinne am First Peak des Sulphur Mountain.

Kurz vor dem Gipfel ist Handeinsatz gefragt.

Auf dem First Peak

Sulphur Mountain (First Peak)
AliasNorth Peak
LandKanada
GebirgeCanadian Rockies
KammSouth Banff Ranges
Höhe2332 m
Koordinaten51°08′13″N, 115°34′05″W

Zufrieden werfe ich den Rucksack auf dem menschenleeren Gipfel ab und lasse meine Blicke über die langgezogenen Bergketten und weiten Trogtäler des Banff National Park schweifen. Im Westen liegt uns das dicht bewaldete Sundance River Valley zu Füßen, hinter dem sich die fast endlos erscheinende Sundance Range mit ihren vielen namlosen Gipfeln aufbaut, und im Osten thront das mächtige Massiv des Mount Rundle (2948m) über dem wilden Spray River Valley. Am Nordende der noch immer tief verschneiten Kalkstein-Kette – abgetrennt durch ein vom Bow River geschaffenes Durchbruchstal – zeigt sich uns mit dem Tunnel Mountain (1692m) zudem auch ein roche moutonnée. Der kleine Rundhöcker verdankt seine sanfte Gestalt einem mächtigen Gletscher, der während des Pleistozäns von Westen her kommend über den Berg floss und ihn sukzessive abschliff. Auch im Norden lässt die Landschaft ihre glazialen Ursprünge erahnen. So breitet sich hinter dem noch immer gut besuchten Sanson Peak (2291m) ein weiteres unberührtes Trogtal aus, das vom Mount Norquay (2522m) im Westen und dem Cascade Mountain (2998m) im Osten begrenzt wird.

Der Blick vom First Peak des Sulphur Mountain nach Norden.

Hinter den Straßen von Banff öffnet sich ein weites Trogtal.

Rückkehr zur Bergstation

Kurz überlegen wir, dem Grat weiter nach Süden zu folgen, um die restlichen Gipfel des Sulphur Mountain (2451m) zu besteigen. Doch über dem Bow Valley im Nordwesten ist mittlerweile eine dunkle Gewitterfront aufgezogen, und in der Entfernung hören wir bereits das Grollen des Donners. Um unnötige Risiken zu vermeiden, entscheiden wir uns also zur Umkehr.

Der Grat zum Sulphur Mountain.

Im Süden haben wir den weiteren Gratverlauf im Blick.

Während mein Begleiter über eine neue und ziemlich ausgesetzte Route zum Zwischenplateau absteigt, will ich mich wieder über die Rinne hinunter tasten. Doch da von oben alle Rinnen gleich aussehen, versteige ich mich prompt und finde mich plötzlich mitten in der Westwand wieder. Während ich noch nach einem Ausweg aus der Sackgasse suche, kommt zu meiner Rechten plötzlich ein Kanadier herauf. »Hey, hier drüben ist’s deutlich einfacher!«, ruft er mir von der richtigen Rinne aus zu.

Nachdem ich mich vorsichtig wieder zurückgetastet habe, empfange ich den jungen Mann auf dem Gipfelplateau. Kurz stehen wir noch beieinander und erfreuen uns an einem Eisgrauen Murmeltier, das sich direkt vor uns auf einer Felsplatte sonnt. Dann steige ich endlich hinab zum Zwischenplateau, wo mein Begleiter bereits sehnsüchtig auf mich wartet.

Ein Eisgraues Murmeltier am First Peak des Sulphur Mountain.

Und täglich döst das Murmeltier...

Flucht vor dem Gewitter

Nach einer kurzen Trinkpause vor den Toren der Bergstation wenden wir uns schließlich dem altbekannten Serpentinenweg zu, der uns wieder zurück zum Parkplatz bringen soll. Allzu lange sind wir noch nicht unterwegs, als uns die Gewitterfront aus Westen plötzlich einholt. Innerhalb von wenigen Minuten wird es hier im Bergwald richtig ungemütlich: Blitze zucken über den Himmel, der Donner grollt über uns, die Bäume zittern im Wind, und von oben prasselt unaufhörlich der Starkregen herab. Zeitweise wird sogar der Seilbahnbetrieb eingestellt.

Ohne lang zu diskutieren legen wir einen Zahn zu. Eine knappe Stunde brauchen wir noch, dann brechen wir aus dem Bergwald hervor und stehen endlich wieder auf dem großen Parkplatz am Fuße des Massivs. Im strömenden Regen schlendern wir noch kurz hinüber zur Talstation, um im Gift-Shop nach einem Souvenir zu schauen, doch der Menschenauflauf dort ist unbeschreiblich. Und so kehren wir unverrichteter Dinge wieder zurück zu unserem Auto, wo uns zumindest ein paar trockene Klamotten erwarten.

Mount Rundle im Nebel.

Als wir den Parkplatz wieder erreichen, ist Mount Rundle bereits im Nebel verschwunden.

StationenDistanzDifferenzZeit
Banff Gondola (Talstation)
→ Banff Gondola (Bergstation) +4,8 km698 m ↑0 m ↓+1h 30m
→ Sulphur Mtn. (First Peak) ✝ +1,0 km89 m ↑40 m ↓+0h 25m
→ Banff Gondola (Bergstation) +1,0 km40 m ↑89 m ↓+0h 20m
→ Banff Gondola (Talstation) +4,8 km12 m ↑32 m ↓+1h 00m
Gesamt 11,6 km827 m ↑827 m ↓3h 15m