Winterwanderweg am Männlichen bei Grindelwald.

Für Bergsteiger unbrauchbar?

Zweifelhafte Aussagen der Tourist Information


05. Juni 2016 • Autor: red.


Speziell bei mangelnder Ortskenntnis gehört er einfach dazu: der Abstecher zur Tourist Information. Hier kann man nicht nur die aktuellsten Wetterprognosen einholen, sondern sich auch über potenzielle Routen und den Zustand der Wege erkundigen – zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis sind die Empfehlungen der Tourist Information für anspruchsvolle Bergsteiger oft kaum zu gebrauchen. Mangelndes Fachwissen und maßlos übertriebene Sicherheitsstandards sorgen immer wieder für Kopfschütteln.

Im Dezember 2015 beschlossen wir nach Grindelwald zu reisen, um in der Jungfrau-Region einige Schneeschuhtouren zu unternehmen. Nach einer Anfrage bei der Tourist Information erhielten wir lediglich den Tipp, dass wir am Männlichen von der Gondelstation (2225m) bis zum Gipfel (2342m) wandern könnten. Sage und schreibe 117 Höhenmeter. Da diese »Tour« gerade einmal 15 Minuten dauern würde, machten wir uns selbst auf die Suche nach einer anspruchsvolleren Alternative. Nach einer kurzen Internet-Recherche stießen wir schließlich auf einen Winterwanderweg, der von Holenstein (1624m) zum Männlichen hinaufführt.

Doch warum hat die Tourist Information diese Route mit keinem Wort erwähnt? Ist dieser Zustieg etwa zu gefährlich? Schwer vorstellbar. Immerhin reden wir hier von einer drei Meter breiten Forststraße mit mäßiger Steigung und nicht von der Eiger-Nordwand. Der Weg sei momentan stark vereist und deshalb gesperrt, teilte man uns auf eine weitere Anfrage hin mit.

Zur Sicherheit holten wir in einem Sportgeschäft vor Ort noch eine zweite Meinung ein. Diese fiel erwartungsgemäß deutlich positiver aus. »Der Männlichen? Ja, das ist kein Problem!«, erklärte uns der Verkäufer ohne zu zögern. Und so beschlossen wir, die Tour zu wagen. Was folgte war die wohl leichteste und gemütlichste Winterwanderung seit Jahren. Die Forststraße war zwar in der Tat vereist, doch wozu gibt es Schneeschuhe und Grödel?

Übersicht der geöffneten und gesperrten Wanderwege bei Grindelwald.

Gesperrt: Die Wanderwege rund um Grindelwald.

Eine Ausnahme? Nein, auch andernorts trauten uns die Mitarbeiter der Tourist Information nicht sonderlich viel zu. Mehrmals bekamen wir nur langweilige Spaziergänge in Parkanlagen vorgeschlagen, während die anspruchsvolleren Bergwanderungen im Umland einfach komplett unterschlagen wurden. Bei gezielten Nachfragen nach bestimmten Touren hieß es dann oft, dass man nichts darüber wisse.

Zugegeben: In einer Zeit, in der mehr und mehr unerfahrene Leute mit Flip-Flops und High-Heels durch die Berge streifen, haben die Angestellten der Tourist Information eine große Verantwortung. Da ist es kein Wunder, dass man lieber auf Nummer sicher geht und nur die einfachsten Wanderwege empfiehlt. Wer möchte schon schuld sein, wenn etwas passiert? Doch erfahrenen Bergsteigern hilft dies kaum weiter. Wenn Leute mit kompletter Bergsteigermontur am Schalter stehen, wollen sie sicher nicht um den See im Stadtpark wandern oder mit der Seilbahn zum Gipfel fahren. Hier kann nur eine individuelle Beratung weiterhelfen, welche die alpine Erfahrung des Gegenübers miteinbezieht.