Wüsten, Wälder, Wiesen

Zu Fuß durch’s Okanagan Valley


15. – 21. Februar 2014 • Autor: red.


Übersicht

Dieser Bericht beschreibt einen dreitägigen Trek durch das wunderhübsche Okanagan Valley im Herzen British Columbias. Die Wanderung beginnt in der Wüste bei der Grenzstadt Osoyoos und führt mich in drei Etappen über Oliver und Okanagan Falls nach Penticton, welches am Südufer des traumhaften Okanagan Lakes liegt. Dort beende ich meinen Trek nach insgesamt 75 Kilometer.

Schwierigkeit: T2GPS-Route: Download

Tag 1: Ankunft in der Wüstenstadt Osoyoos

Es ist Februar, und der Winter hat Kanada fest im Griff. Ganz Kanada? Nein, eine Region im Herzen British Columbias stemmt sich gegen die Meter hohen Schneemassen und die eisigen Temperaturen: das Okanagan Valley. Dieses langgezogene Tal erstreckt sich über 175 Kilometer von Osoyoos nahe der US-Grenze bis Enderby nördlich von Kelowna, der größten Stadt der Region. Die gesamte Gegend zeichnet sich durch ein sehr mildes Klima aus, weshalb es als ideales Weinbaugebiet gilt. Je südlicher man dabei kommt, desto trockener wird das Klima, bis man mit Osoyoos schließlich die einzige Wüste Kanadas vorfindet.

Genervt vom langen Winter plane ich also eine einwöchige Trekkingtour durch die abwechslungsreiche Landschaft des Okanagan. Dazu reise ich zunächst per Greyhound Bus nach Osoyoos an, welches nur fünf Kilometer nördlich der US-Grenze liegt und von einer wüsten Landschaft umzogen ist. Immer wieder wird diese Kleinstadt als der heißeste und trockenste Ort Kanadas genannt. Doch als ich am späten Nachmittag aus dem Bus aussteige, fängt es plötzlich an zu nieseln. Immerhin liegt hier kein Schnee! Das ist schon mal eine schöne Erkenntnis.

Zunächst peile ich die Tourist Information direkt am Highway an und quatsche ein wenig mit der netten Dame am Tresen. Nach einem kurzen Plausch verabschiede ich mich und mache mich auf, um die Kleinstadt etwas zu erkunden. Ich spaziere über die Main Street mit all ihren Geschäften und mache einen kurzen Abstecher zum Osoyoos Lake, einem riesigen See. Zu meinem Erstaunen ist dieser immer noch komplett zugefroren. Als die Dämmerung schließlich hereinbricht, wandere ich zu meinem Motel und beginne die Route für meine morgige, erste Etappe zu planen – in der Hoffnung, das Wetter möge sich bessern.

Die Landschaft im Okanagan Valley ist schön und abwechlungsreich.

Tag 2: Von der US-Grenze nach Oliver

Als ich aufwache, strahlt die Sonne über Osoyoos, der Himmel ist blau, und nur wenige Wolken lassen sich am Horizont erkennen. Dazu ist es mit +13°C sogar noch angenehm warm. Voller Tatendrang schwinge ich mich aus dem Bett, packe meine sieben Sachen und beginne den Tag mit einem kleinen Bummel durch die Kleinstadt.

Zuerst wandere ich fünf Kilometer in südlicher Richtung zur US-Grenze. Dabei passiere ich einige Obstplantagen und Pferde-Ranches. Die Landschaft in dieser Gegend ist karg und wüstenähnlich. Nur kleine Kakteen und Wüsten-Beifuß wachsen hier. Auf den Hügeln, die die Stadt umrahmen, liegt sogar noch etwas Schnee, was zu tollen Farbkontrasten führt. Schließlich erreiche ich die US-Grenze, an der mich mehrere Schilder vor dem Übertritt in die USA warnen. Gut, dass ich dort eh nicht hin will.

Die erste Etappe meiner Trekkingtour kann nun beginnen. Zunächst folge ich dem Highway 97 fünf Kilometer in nördlicher Richtung, bis ich Osoyoos wieder erreiche. Dort biege ich rechterhand zum Lake Osoyoos und dem Haynes Point Provincial Park ein. Dort ergießt sich eine dünne Landzunge tief in die Mitte des Sees. Im Park drehe ich eine kleine Runde und genieße den Kontrast zwischen der wüstenartigen Landschaft und dem gefrorenen See. Dann kehre ich nach Osoyoos zurück, wo ich mich mit etwas Proviant für meine erste Etappe eindecke.

Von nun an folge ich erst einmal dem Okanagan Highway (Highway 97) für einige Kilometer nach Norden. Dabei gehe ich in Rambo-Manier steten Schrittes am Wegesrand entlang. Die endlose Straße liegt direkt vor mir. Die Sonne brennt von oben herab. Ja, so macht das Spaß. Nach einigen Minuten liegt Osoyoos schließlich hinter mir. Am Wegesrand zieht jedoch weiterhin eine Obstplantage nach der anderen vorbei. Dahinter scheint der Lake Osoyoos ruhig im Tal hervor. Wiederum dahinter ragen die kargen wüstenartigen Hügel des Okanagan Valley aus der Landschaft. Erneut bin ich vom Abwechslungsreichtum der Landschaft erstaunt.

Schließlich lasse ich den großen See rechts hinter mir liegen, während ich immer noch auf dem Highway 97 in nördlicher Richtung wandere. Nach einigen Kilometern erreiche die Road 22, die in östlicher Richtung vom Highway abgeht. Hier biege ich nun ab und folge dem Straßenverlauf, bis ich eine Brücke über den Okanagan-Fluss erreiche. Links und rechts des Weges zeigt sich mir eine goldgelbe Wiesenlandschaft. Ich überquere die Brücke und folge zunächst der Road 22 einige weitere Meter bis zur Kreuzung an der Black Sage Road. Dort erwartet mich kurioserweise nicht nur ein Schild, das vor querenden Schildkröten warnt – vor Giftspinnen, Skorpionen, Klapperschlangen und Berglöwen wurde ich bereits gewarnt, aber vor Schildkröten?! – sondern auch ein paar alte Hausruinen stehen hier in der Landschaft herum. Hier hätte man problemlos einen guten Western-Film drehen können!

Ein Hauch von Western-Flair liegt in der Luft.

Nach ein paar Schnappschüssen kehre ich zurück zur Brücke und biege schließlich auf den Wanderweg ein, der am Okanagan River entlang führt. Diesem Weg folge ich nun mehrere Kilometer in nördlicher Richtung. Der Weg ist matschig und heute nicht ganz so angenehm zu begehen. Ich merke, wie ich mir erste Blasen an den Füßen laufe. Aber ich beiße auf die Zähne und marschiere weiter. Links von mir fließt der begradigte Okanagan vorbei, während rechts von mir eine sumpfartige Landschaft zu sehen ist. Wenn der Weg hier auch wenig abwechslungsreich ist, so hinterlässt die Schönheit der Gegend doch einen positiven Eindruck. Nach insgesamt sechs Stunden und 35 Kilometern erreiche ich schließlich das Ziel meiner ersten Etappe, die Ortschaft Oliver. Mit letzter Kraft schleppe ich mich zu meinem Hotelzimmer am Tuc-El-Nuit-Lake, wo ich nach einer Dusche gleich ins Bett falle.

Tag 3: Von Oliver nach Okanagan Falls

Die zweite Etappe führt mich heute von Oliver nach Okanagan Falls. Dabei gilt es etwas mehr als 20 Kilometer hinter mich zu bringen. Nach der gestrigen Leistung sollte das eigentlich kein Problem sein. Und so wuchte ich mich voller Tatendrang am Morgen aus dem Bett und bereite mich darauf vor, los zu marschieren. Doch bereits nach 50 Metern durchzieht ein stechender Schmerz meinen rechten Fuß und ich kann nicht mehr richtig auftreten. Ich schleppe mich zu einer Parkbank am Tuc-El-Nuit-Lake und evaluiere die Lage.

Der Tuc-El-Nuit Lake in Oliver, BC ist noch komplett zugefroren.

Nicht nur, dass meine Schuhe bereits anfangen, erste Auflösungserscheinungen zu zeigen, aber mit nur einem funktionierenden Fuß 20 Kilometer zu gehen erscheint mir als unsinnig. Ich entscheide mich, die heutige Etappe ausfallen zu lassen und zu trampen. Also schleppe ich mich mit dem Daumen wedelnd und humpelnd am Tuc-El-Nuit Drive entlang, in der Hoffnung, ein Auto möge anhalten. Doch ich habe heute kein Glück. Niemand hält an. Und so quäle ich mich Meter um Meter immer weiter in nördliche Richtung. Nach einigen Kilometern mündet der Tuc-El-Nuit Drive wieder im Highway 97, dem ich weiter folge. Über diesen gelange ich schließlich zum Vayeux Lake, der – genau wie der Osoyoos Lake – komplett zugefroren ist. Immerhin habe ich nun schon die Hälfte der Etappe mit lädiertem Fuß hinter mich gebracht. „Jetzt kann ich die Etappe auch zu Ende gehen“, denke ich mir und beiße auf die Zähne.

Ich folge dem Highway 97 auf der östlichen Seite des Sees nach Norden, wobei einige enge Kurven passiert werden müssen. Hier ist etwas Vorsicht sicherlich nicht verkehrt, so dass man nicht von einem der SUVs aus Unachtsamkeit überrollt wird. Doch ich meistere die Stelle problemlos und folge dem Highway bis ich rechterhand den Oliver Ranch Drive erreiche. Dort biege ich ab und entferne mich nun langsam vom See. Nun geht es erst einmal einige Meter steil bergauf, ehe ich in luftiger Höhe weiter nach Norden wandere. Dabei passiere ich wieder zahlreiche Obstplantagen und Weinstöcke.

Bildergalerie: Okanagan Valley

Bei wechselhaftem Wetter erreiche ich schließlich die kleine Ortschaft Okanagan Falls, mein Tagesziel. Insgesamt vier Stunden habe ich für die 20 Kilometer gebraucht. Bedenkend, dass mein rechter Fuß nicht mehr funktioniert, keine schlechte Leistung! Ich peile zunächst den Christie Memorial Provincial Park am Südufer des Skaha Lakes an, welcher – wie gewohnt – noch gefroren ist. Nach einem kurzen Spaziergang durch die kleine Ortschaft checke ich in meinem Motel ein und lasse den Tag gemütlich ausklingen.

Tag 4: Von Okanagan Falls nach Penticton

Mit dem neuen Tag bricht auch eine neue Etappe an. Erneut gilt es knappe 20 Kilometer zu bewältigen, diesmal von Okanagan Falls bis nach Penticton. Mein Fuß-Status: unverändert schlecht. Am Südwestufer des Skaha Lakes biege ich nichtsdestotrotz auf den Kettle Valley Trail ein, einer ehemaligen Eisenbahnstrecke, die direkt am Seeufer verlief. Nachdem ich eine Brücke überquert habe, folge ich dem gut begehbaren Pfad immer in nördlicher Richtung. Linkerhand erheben sich einige große Felswände, während der Blick nach rechts vom Skaha Lake geprägt ist. Dieser See erstreckt sich zwölf Kilometer lang in Nord-Süd-Richtung, womit er mir noch für einige Stunden erhalten bleiben wird.

Das Wetter wird zunehmend schlechter: Es fängt an zu nieseln, und der Wind bläst mir teilweise wild durch’s Haar. Nach dreieinhalb Stunden auf dem Kettle Valley Trail erreiche ich schließlich die Vororte von Penticton. Diese etwas größere Stadt befindet sich am Nordufer des Skaha Lakes und wird im Norden vom Okanagan Lake eingegrenzt. Ich spaziere am Flughafen vorbei und gelange schließlich nach einer halben Stunde ins Stadtzentrum. Dort kaufe ich mir erst einmal ein paar Donuts und einen Kaffee, ehe ich mich meiner Jugendherberge zuwende.

Am traumhaften Okanagan Lake in Penticton beende ich meine Wanderung.

Tag 5 – 7: Von Penticton nach Kelowna

Der fünfte Tag bricht an, und ich starte zu meiner nächsten Etappe, die mich von Penticton nach Summerland bringen soll. Erneut gilt es knappe 20 Kilometer zu bewältigen. Doch diesmal ist Schicht im Schacht. Mit nicht einmal zwei Kilometer pro Stunde quäle ich mich durch die Straßen von Penticton. Senioren überholen mich auf dem Gehsteig. Und meine Schuhe fallen endgültig auseinander. Das ist der Moment, an dem man es dann auch einmal gut sein lassen sollte. Und so beende ich meine Trekkingtour in den Straßen von Penticton.

Eigentlich standen noch drei Etappen bevor, von Penticton nach Summerland, von dort nach Peachland, und schließlich zum großen Ziel: Kelowna. Doch diese Etappen werde ich zu Fuß nicht mehr gehen können. Somit steige ich auf den Bus um und tingle nun von Ort zu Ort. Die unerwartet gewonnene Freizeit nutze ich, um mich an den Ufern des schönen Lake Okanagan zu entspannen und meinen Urlaub endlich in gemütlicher Ruhe zu genießen.

Die restlichen Tage genieße ich entspannt am Ufer des Sees.

Fazit

Auch wenn die Trekkingtour durch das Okanagan-Valley früher vorbei war als gedacht, so hat die Unternehmung sehr viel Spaß gemacht. Insgesamt habe ich 75 Kilometer in drei Tagen hinter mich gebracht. Der Weg führte dabei durch eine sehr abwechslungsreiche Landschaft, die gekennzeichnet ist von Wüsten, Bergen, Seen und Wäldern. Zweifelsohne werde ich hierher zurückkehren und die letzten Etappen auch noch hinter mich bringen – eventuell per Fahrrad – auf jeden Fall aber mit neuen Schuhen.

StationenDistanzDifferenzZeit
Osoyoos
→ Oliver +34,8 km 80 m ↑110 m ↓+6h 00m
→ Okanagan Falls +19,8 km170 m ↑130 m ↓+4h 00m
→ Penticton +20,4 km 10 m ↑ 15 m ↓+4h 00m
Gesamt 75,0 km260 m ↑255 m ↓14h 00m